500 Jahre Täuferisches Leben in Bayern

Täuferisches Leben
Bildrechte ELKB

Historischer Moment in Bad Königshofen: Auf einer Lesereise wird nach Jahrhunderten Versöhnung erlebbar

KÖN Gruppenfoto Täuferisches Leben
Bildrechte Evang.-Luth. Kirche in Bayern / KR Maria Stettner

Der 21. September 2024 - ein gesegneter und historischer Tag
So geschehen neulich in Bad Königshofen: Ein kleines Büchlein wird in einem katholischen Gemeinderaum an mennonitische und lutherische Christen verteilt, zum Zeichen der Verbundenheit zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) und den täuferischen Gemeinschaften, die ja ebenfalls aus der Reformation hervorgegangen sind. Dann lesen mehrere AutorInnen zusammen mit den Anwesenden einige Passagen aus dem Taschenbuch und geben Erläuterungen dazu. Dabei wird die Bedeutung der gemeinsamen Geschichte für die Gegenwart spürbar wie der Kaffee und der Kuchen, die schon zur Begrüßung bereitstanden. Zwischendurch werden christlichen Lieder gesungen, die in zwei verschiedenen Gesangbüchern identisch enthalten sind. Anschließend geht es zum gemeinsamen Mittagessen hinüber ins evangelische Gemeindehaus, wo nachmittags dann auch noch drei Workshops stattfinden. Und alles ohne Berührungsängste zwischen den ExpertInnen und den „einfachen“ Gläubigen. Das könnte doch vorbildlich sein auch für den Umgang mit anderen althergebrachten Konflikten, für eine Annäherung und Versöhnung nach Jahrhunderten der Abgrenzung.
Die Lesereise zur Vorstellung des Buches führte in Bayern außer Regensburg (13.7.24) und Kaufbeuren (26.10.24) auch nach Bad Königshofen, weil hier in der Region seit mehr als 200 Jahren eine mennonitische Gemeinde lebendig ist. Die war bei der Veranstaltung quasi in der Rolle des Gastgebers auch sichtbar und tatkräftig vertreten.

Buchvorstellung "Täuferisches Leben" am 21.9.24 in Bad Königshofen
Bildrechte Evang.-Luth. Dekanatsbezirk Bad Neustadt an der Saale
Schwester Nicole Grochowina (hinten Mitte) referiert, Astrid von Schlachta (hinten rechts) und Kirchenrätin Maria Stettner (links am Tisch) folgen aufmerksam, gemeinsam mit allen anderen Teilnehmenden

„Täuferisches Leben in Bayern“ - ein Buch mit vielen AutorInnen
Zwei Historikerinnen zeichnen als Herausgeberinnen verantwortlich für den vielfältigen Inhalt des 170 Seiten umfassenden Bändchens, das auch der Region Rhön-Grabfeld überraschende „Geschichten aus der Geschichte“ zur Kenntnis bringt. Eine von beiden Historikerinnen, Astrid von Schlachta, ist an den Universitäten in Regensburg und Hamburg tätig und wirkt auch als Leiterin der Mennonitischen Forschungsstelle. Die andere, Nicole Grochowina, ist evangelische Ordensfrau, Privatdozentin der Universität Nürnberg/Erlangen und Mitglied der Landessynode der ELKB. Beide waren bei der Präsentation des Werkes am 21. September im katholischen Gemeindehaus in Bad Königshofen moderierend und lesend aktiv. Pastor Lutz Heidebrecht, Vorsitzender der Vereinigung Bayerischer Mennonitengemeinden, und Kirchenrätin Maria Stettner, Referentin der ELKB für Ökumene und interreligiösen Dialog, hatten zu Beginn einen Kreis von über dreißig meist älteren Personen begrüßt und ins Thema eingestimmt. Als weitere AutorInnen kamen im Verlauf auch der Regensburger Hermannn Hage, Historiker mit amisch-mennonitischen Vorfahren, und Michael Martin zu Wort. Letzterer war bis vor Kurzem in der ELKB als Oberkirchenrat der Leiter der Abteilung „Ökumene und Kirchliches Leben“, war aber persönlich auch in einem Teil seiner Berufsgeschichte als theologischer Mitarbeiter bei der Mennonitengemeinde in München aktiv gewesen. Er berichtete aus erster Hand über den weitergehenden Versöhnungsprozess zwischen den beiden Glaubensgemeinschaften, der ja schon erste Früchte getragen habe.

Buchvorstellung "Täuferisches Leben" am 21.9.24 in Bad Königshofen: Hermann Hage
Bildrechte Evang.-Luth. Dekanatsbezirk Bad Neustadt an der Saale
Hermann Hage (stehend) in Bewegung bei seinem engagierten und kurzweiligen Vortrag. Er forschte speziell im Raum Bad Königshofen.

Warum jetzt? - die Vorgeschichte in groben Zügen
Die meisten Mitglieder unserer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern dürften ein kirchenhistorische Ereignis im Jahr 2010 vermutlich nicht wahrgenommen haben: Der Lutherische Weltbund (LWB) richtete bei seiner Vollversammlung in Stuttgart offiziell die Bitte um Vergebung an die Mennonitische Weltkonferenz (MWK). Seit der Reformationszeit, also seit ihren frühen Anfängen, hatten beide Kirchenströmungen sich gegenseitig abgegrenzt und abgelehnt. Die lutherische Kirche, die weltlich in stärkere Machtpositionen gelangte, hatte dabei gegenüber den reformatorischen „Verwandten“ einige Schuld auf sich geladen. Daher kam endlich 2010, fast 500 Jahre nach Beginn der Auseinandersetzungen, die Vergebungsbitte von Seiten des LWB. Und es war keine leichtfertige Bitte nach dem Motto „Schwamm drüber“. Der Annäherungs- und Versöhnungsprozess hatte schon Jahrzehnte früher begonnen, war aber nicht stets zielstrebig weitergeführt worden. So musste nach dem Reformationsjahr 2017 etwas betreten festgestellt werden, dass die Verbundenheit zwischen den „lutherischen“ und den „täuferischen“ Kindern der Reformation bei diesen Jubiläumsfeierlichkeiten kaum in den Blick gekommen war. Im Jahr 2025 steht nun ein weiteres Jubiläum an, diesmal ein auf den ersten Blick täuferisches: Vor 500 Jahren, im Jahr 1525, fand in Zürich die weltweit erste „Glaubenstaufe“ der Neuzeit statt. In den Täufer-Kirchen, von denen in Deutschland vor allem die Mennoniten, die Amischen und die Hutterer bekannt sind, ist ausschließlich die Taufe von Menschen mit eigenem, selbst verantwortetem Glaubensverständnis üblich. Also nicht die Taufe von Säuglingen und kleinen Kindern. Neben vielen anderen Kennzeichen wird bei den Täufern außerdem großer Wert auf die Trennung von Kirche und Staat gelegt und es wird die Idee der Gewaltlosigkeit hoch gehalten. Zur Vorbereitung des Jubiläums 2025 hatte sich vor einigen Jahren ein Verein namens „Täufergedenken“ gegründet und bisher fünf große Jahresschriften veröffentlicht.

Buchvorstellung "Täuferisches Leben" am 21.9.24 in Bad Königshofen: Lutz Heidebrecht
Bildrechte Evang.-Luth. Dekanatsbezirk Bad Neustadt an der Saale
Pastor Lutz Heidebrecht, Vorsitzender der Vereinigung Bayerischer Mennonitengemeinden leitet vor dem Aufbruch zum Mittagessen zum gemeinsamen Lied über.

Das Buch „Täuferisches Leben in Bayern“ wurde bei der Evangelischen Verlangsanstalt in Leipzig herausgegeben, im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ISBN 978-3-374-07213-2). Es ist ein weiterer wichtiger Beitrag, um zu beweisen: Die Verbundenheit zwischen den christlichen Glaubensrichtungen kann auch auf dem Boden der Unterschiedlichkeiten wachsen; die unguten Ereignisse der Vergangenheit können zur Grundlage von Verständigung werden, wenn der gute Geist vertrauensvoller Geschwisterlichkeit herrscht. Das betonten so oder ähnlich mehrere der Vortragenden in Bad Königshofen. Schwester Nicole Grochowina als Historikerin z.B. unterstrich die „zeitlose Beobachtung, dass die Dinge komplexer sind. Ein zweiter und dritter Blick lohnt sich, weil die Erinnerungskultur auf die Gegenwart prägend wirkt.“ Und auch Familienleben muss eben gepflegt werden.

Wer mehr zur Täufergemeinschaft und zum Jubiläum 2025 wissen will:
https://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Täuferbewegung
https://taeuferbewegung2025.de/